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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 31.03.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 1298/02
Rechtsgebiete: TVG, VTV/Bau
Vorschriften:
TVG § 1 | |
VTV/Bau § Abs. 2 |
2. Das Reinigen und Aufrauhen von Böden mittels Hochdruckwasserstrahl ist keine bauliche Leistung iSv § 1 Abs. 2 VTV/Bau (Bestätigung des Kammerurteils v. 13.05.1991 - 16 Sa 1619/90).
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil
Aktenzeichen: 16 Sa 1298/02
Verkündet laut Protokoll am 31. März 2003
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 16, in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... Hattesen als Vorsitzenden, den ehrenamtlichen Richter Seng und die ehrenamtliche Richterin Walter als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 3. Juli 2002 - 7 Ca 3601/01 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Zahlungs- und Auskunftsverpflichtungen der Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar 2000 bis Dezember 2001.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Die am 31.12.1999 gegründete Beklagte, die ihre betriebliche Tätigkeit am 17.01.2000 aufgenommen hat, unterhält einen Betrieb, von dem u.a. seit Betriebsbeginn Bohr- und Sägearbeiten sowohl zum Zwecke der vollständigen Beseitigung von Bauwerksteilen wie auch zum Zwecke der Schaffung von Öffnungen für Fenster, Türen, Treppen und Fahrstuhlschächte, darüberhinaus auch Reinigungs- und Aufrauarbeiten an Böden mit Hilfe von Hochdruckwasserstrahl durchgeführt werden.
Der Kläger hat unter Benennung eines Arbeitnehmers als Zeugen und des Geschäftsführers der Beklagten als Partei zum Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptungen die Ansicht vertreten, die Beklagte habe im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der Bautarifverträge unterhalten. Seit Beginn der betrieblichen Tätigkeit wie auch in den Kalenderjahren 2000 und 2001 seien von den beschäftigten Arbeitnehmern während ihrer jeweiligen persönlichen Arbeitszeit zu mehr als 50% Beton-, Bohr-, Schneide- und Sägearbeiten, mit denen der Zweck verfolgt wurde, Öffnungen in Betonwände und Betondecken für z.B. Versorgungsleitungen, Fenster, Türen, Treppenaufgänge oder Heizungsschächte (sog. Durchbrucharbeiten) zu schaffen, durchgeführt worden. Bestätigt werde dieses sowohl durch den Prüfbericht des Arbeitsamts vom 23.03.2001, wonach Stahlbetonarbeiten, Betonschneidearbeiten, Kernbohrungen und Abbrucharbeiten durchgeführt worden seien, wie auch durch ein Telefongespräch des Geschäftsführers der Beklagten mit einem seiner Mitarbeiter. In diesem am 03.08.2001 geführten Gespräch habe der Geschäftsführer mitgeteilt, dass seit jeher sogar ausschließlich mit vorhandenen Maschinen Öffnungen für Fenster, Türen, Treppen oder Fahrstuhlschächte in Wände und Decken geschaffen würden und kein kompletter Substanzverlust erfolge. Der Internetauftritt der Beklagten (Bl. 124 d.A.) bestätige die Richtigkeit seines Vortrags zusätzlich. Entsprechend schulde die Beklagte einmal die sich aus den vom Arbeitsamt ermittelten monatlichen Bruttolöhnen für gewerbliche Arbeitnehmer und dem tariflichen Beitragssatz ergebenden Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Januar 2000 bis Februar 2001, zum anderen die tarifvertraglich normierten Auskünfte für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum März bis Dezember 2001.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. dem Kläger € 30.218,51 zu zahlen;
2. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des 6. Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) Versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten März bis Dezember 2001 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
3. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger € 26.337,05 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die vom Kläger behaupteten Arbeiten hätten weniger als 10% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht. Zu über 70% seien komplette Bauteile, nämlich Decken, Wände, Fahrstuhlschächte und Balkone mit Substanzverlust und Funktionsbeseitigung entfernt worden. Soweit sie mit Hochdruckwasserstrahlgeräten verdreckte Werksböden reinige, handele es sich ebenfalls nicht um bauliche Leistungen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 03.07.2002 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 151 - 161 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 31.03.2003 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen zur betrieblichen Tätigkeit der Beklagten und trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von seiner, des Klägers, Beweisfälligkeit ausgegangen. Angesichts des Prüfberichts des Arbeitsamts, des geschilderten Telefongesprächs und des Internetsauftritts der Beklagten hätte das Arbeitsgericht den von ihm allein benannten Arbeitnehmer und den Geschäftsführer der Beklagten vernehmen müssen. Alle beschäftigten Arbeitnehmer hätten nämlich detaillierte Vorgaben seitens des Arbeitgebers für das Bohren und Schneiden von Öffnungen in Wände bekommen. Daraus hätten sie erkennen können, zu welchem Zweck sie die Bohr- und Sägearbeiten ausführten. Neben dem erstinstanzlich benannten Zeugen seien noch vier weitere Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, auf deren Zeugnis er sich ebenfalls beziehe.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 03.07.2002 - 7 Ca 3601/01 - wird abgeändert;
2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 30.218,51 zu zahlen;
3. die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften des 6. Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten März bis Dezember 2001 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
4. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt ist, an den Kläger € 26.337,05 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, bereits die vom Kläger angegebene Anzahl von Arbeitnehmern sei unzutreffend. Für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2001 ergäben sich die richtigen Zahlen aus dem Prüfbericht des Arbeitsamts, danach seien im März und April 2001 sechs Arbeitnehmer, im Mai acht Arbeitnehmer, im Juni und Juli jeweils sieben Arbeitnehmer, im August acht Arbeitnehmer, im Oktober und November fünf Arbeitnehmer und im Dezember sechs Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Die vom Kläger zweitinstanzlich im Berufungstermin benannten Arbeitnehmer seien überhaupt nicht bei ihr, sondern bei der Firma des Bruders des Geschäftsführers beschäftigt gewesen. Im Übrigen hätten die Zeugen den durchgeführten Bohrungen und Sägearbeiten nicht ansehen können, ob sie für Teilabbruch- oder die vom Kläger behaupteten Durchbrucharbeiten oder für Installationsbohrungen durchgeführt worden seien. Auch bei Teilabbrucharbeiten seien nämlich zahlreiche Hilfsbohrungen erforderlich, Sägearbeiten seien auch bei Abbrucharbeiten durchzuführen. Aus diesem Grunde seien die Arbeitnehmer gar nicht in der Lage zu sagen, zu welchem Zweck sie Bohr- und Sägearbeiten durchgeführt hätten. Der Prüfbericht des Arbeitsamts sei inhaltsleer, das behauptete Telefongespräch habe nie stattgefunden, der Internetauftritt sei im Ergebnis inhaltlich richtig.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 31.03.2003 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Für das Klagebegehren gibt es keine Rechtsgrundlage.
Als allein mögliche Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen des Klägers kommt § 18 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20.12.1999 ebenso wenig in Betracht wie § 21 VTV hinsichtlich des Auskunftsbegehrens. Denn die in diesen Tarifnormen statuierten Verpflichtungen treffen die Beklagte nicht, weil der VTV für sie im Klagezeitraum nicht galt. Denn die Beklagte unterhielt im Klagezeitraum keinen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fiel.
Zwar unterfiel der Betrieb der Beklagten im gesamten Klagezeitraum sowohl nach dem Vortrag des Klägers, wie auch nach dem Vorbringen der Beklagten dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV, weil in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die im Beispielskatalog des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannt sind, jedenfalls aber Tätigkeiten durchgeführt wurden, die unter die allgemeinen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt I - III VTV fallen. Das Schaffen von Tür-, Fenster- und sonstigen Öffnungen in Mauern und Wänden und das Bohren von Öffnungen zur Verlegung von Versorgungsleitungen lässt sich nämlich als "Beton- und Stahlbetonarbeiten" (§ 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 5 VTV), als "Bohrarbeiten" (§ 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 6 VTV), jedenfalls aber als bauliche Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II und III VTV einordnen (vgl. BAG 04.10.1989, AP Nr. 120 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 02.02.1994-10 AZR 343/93 und 344/93).
Etwas anderes gilt für die vom Betrieb der Beklagten unstreitig auch, nach dem Vortrag der Beklagten arbeitszeitlich weit überwiegend durchgeführten Arbeiten der Entfernung von Bauteilen und Bauelementen. Denn insoweit handelt es sich um Abbrucharbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 29 VTV. Unter "Abbruch" ist nämlich sowohl der Totalabbruch wie auch der Teilabbruch zu verstehen, wobei die entsprechenden Arbeiten zur vollständigen oder wenigstens teilweisen Beseitigung eines Gebäudes, Bauwerks bzw. Gebäude- oder Bauwerksteils führen müssen. Begriffswesentlich für Abbrucharbeiten ist nämlich, dass durch sie Gebäude, Bauwerke oder Teile davon in ihrer Substanz und damit in ihrer Funktion beseitigt werden. Davon kann auch gesprochen werden, wenn etwa Decken, Wände, Bedachungen, Balkone, Fundamente oder Böden vollständig abgebrochen werden und deswegen ein Teilabbruch vorliegt (vgl. BAG 04.10.1989 und 02.02.1994, a.a.O.). Dabei zählen zu den Abbrucharbeiten auch solche Bohr- und Sägearbeiten, die die Funktion haben, das vollständige Abtragen (Beseitigen) eines Bauwerks oder eines Bauwerksteils zu ermöglichen, sei es, dass sie vorbereitend erfolgen, sei es, dass sie der Zerteilung und dem Abtransport entfernter Bauwerksteile zu dienen bestimmt sind (vgl. Kammerurteil vom 25.06.2001 - 16 Sa 1559/00). Dagegen sind Abbrucharbeiten immer dann zu verneinen, wenn in Decken oder Wänden Öffnungen für Versorgungsleitungen usw. hineingebohrt bzw. hineingesägt werden. In diesen Fällen bleibt nämlich, anders als beim Teilabbruch, die Wand oder Decke in ihrer Substanz und Funktion erhalten, so dass man nicht von Abbruch, sondern allenfalls von Durchbrucharbeiten sprechen kann. Diese sind im Rechtssinne nicht den Abbrucharbeiten zuzurechnen (vgl. BAG 04.10.1989 und 02.02.1994, a.a.O.).
Gleichwohl ist der Sachvortrag der Beklagten, wonach im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Bauwerksteile beseitigt, also abgebrochen worden sind, erheblich. Da die Beklagte nämlich unstreitig nicht kraft Mitgliedschaft in einem der tarifvertragschließenden Verbände des Baugewerbes organisiert und damit tarifgebunden ist (§ 3 Abs. 1 TVG), kann der VTV die Beklagte nur kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) erfassen (§ 5 Abs. 4 TVG). Die AVE des VTV enthält jedoch in den für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen die rechtlich bedenkenfreie Einschränkung, dass Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausführende Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen (nur) von der AVE erfasst werden, wenn ihre Leistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit anderen in den Betrieben oder in den selbständigen Betriebsabteilungen in erheblichem Umfang anfallenden Leistungen stehen. Demzufolge käme eine Bindung der Beklagten an den VTV im vorliegenden Fall nach dem Vortrag des Klägers nur in Betracht, wenn die Beklagte im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend andere bauliche Leistungen im tariflichen Sinne als Abbrucharbeiten durchgeführt oder aber im Sinne der vorbezeichneten Einschränkungsklausel im Zusammenhang mit arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Abbrucharbeiten bauliche Leistungen durchgeführt hätte. Hinsichtlich der Tatsachen, aus denen sich eine Erfüllung der zweiten Variante ergeben könnte, ist der Kläger darlegungsfällig geblieben, weil er keinen entsprechenden Sachvortrag gehalten hat. Hinsichtlich der ersten Variante ist dem Kläger der erforderliche Beweis nicht gelungen. Das geht zu seinen Lasten, weil der Kläger als derjenige, der Ansprüche aus dem VTV herleitet, für einen Erfolg im Rechtsstreit gehalten ist, die Voraussetzungen der Geltung des Tarifvertrages darzulegen und im Streitfall zu beweisen.
Dem Beweisantritt des Klägers durch die Benennung von Zeugen war nicht nachzugehen.
Dabei kann zugunsten des Klägers sogar unterstellt werden, dass sein Sachvortrag einer Beweisaufnahme durch Arbeitnehmer zugänglich ist. Denn selbst wenn man davon zugunsten des Klägers ausgeht, vermag es dem Kläger nicht zur Durchführung der begehrten Zeugenvernehmungen zu verhelfen.
Nach dem Vortrag des Klägers soll jeder der beschäftigten Arbeitnehmer selbst arbeitszeitlich überwiegend die behaupteten "Durchbrucharbeiten" durchgeführt haben. Damit will der Kläger einen Indizienbeweis führen. Während ein unmittelbarer Beweis tatsächliche Behauptungen zum Gegenstand hat, die unmittelbar und direkt ein Tatbestandsmerkmal der in Frage stehenden Norm als vorhanden ergeben sollen, bezieht sich ein Indizienbeweis auf andere, selbst nicht zum Tatbestand der Norm gehörende Tatsachen, die erst durch ihr Zusammenwirken mit anderen Tatsachen den Schluss auf das Vorliegen des oder der relevanten Tatbestandsmerkmale selbst rechtfertigen sollen und können (vgl. BGH 17.02.1970, NJW 1970, 946 (959)). Tatbestandsvoraussetzung dafür, dass die Beklagte Verpflichtungen aus dem VTV treffen, ist, dass dieser Tarifvertrag für sie gilt, also, dass von den beschäftigten Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend die vom Kläger behaupteten Durchbrucharbeiten durchgeführt worden sind. Aus der Behauptung des Klägers, jeder der beschäftigten Arbeitnehmer könne bekunden, er selbst habe arbeitszeitlich überwiegend, also zu mehr als 50% seiner persönlichen Arbeitszeit in den Kalenderjahren des Klagezeitraums die behaupteten baulichen Tätigkeiten durchgeführt, ergibt sich jedoch nur dann die Richtigkeit der klägerischen Behauptung, dass arbeitszeitlich überwiegend Durchbrucharbeiten ausgeführt worden sind, wenn vom Kläger so viele Arbeitnehmer als Zeugen benannt worden sind, dass sich, soweit die Zeugen den klägerischen Vortrag bestätigen, ergibt, dass dann auch die überwiegende gesamtbetriebliche Arbeitszeit mit derartigen Tätigkeiten ausgefüllt worden ist. Das erfordert, da mangels näherer Quantifizierung von einer behaupteten 51%igen Durchführung von Abbrucharbeiten durch jeden Arbeitnehmer ausgegangen werden muss, die Angabe von Arbeitnehmern als Zeugen, deren Beschäftigungszeit mindestens 98,04% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit jedes Kalenderjahres ausmacht. Nur dann kann sich bei Richtigkeit der klägerischen Behauptungen ein Anteil der behaupteten Tätigkeiten von mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit errechnen (angegebene Beschäftigungszeiten x 51/100 Gesamtbeschäftigungszeit > 50/100 Gesamtbeschäftigungszeit). Werden Arbeitnehmer als Zeugen benannt, deren Beschäftigungszeit einen geringeren als den vorgenannten Teil der Gesamtarbeitszeit pro Kalenderjahr abdecken, erschließt sich dagegen aus dem unter Beweis gestellten Vorbringen, auch wenn es zutrifft, nicht, dass mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit des maßgeblichen Beurteilungszeitraums (= Kalenderjahr) mit den behaupteten baulichen Tätigkeiten ausgefüllt waren.
Danach kam eine Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen nicht in Betracht. Dass der Kläger sämtliche beschäftigte Arbeitnehmer als Zeugen benannt hat, hat er selbst nicht behauptet. In Anbetracht des unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger eine ausreichende Zahl von Arbeitnehmern als Zeugen benannt hat. Die vom Kläger angegebenen Beschäftigungszeiten von Zeugen summieren sich für 2000 auf 39 Mann-Monate und für 2001 auf 43 Mann-Monate. Nach den vom Kläger selbst vorgelegten Zahlenangaben des Arbeitsamts über die Beschäftigtenzahlen für 2000 errechnen sich 68 Mann-Monate, für 2001 aus den vom Arbeitsamt im Januar und Februar ermittelten Beschäftigungszeiten, summiert mit den Zahlenangaben der Beklagten, 84 Mann-Monate. Selbst wenn ein Teil der pro Monat im Arbeitsamtsbericht und in den Angaben der Beklagten aufgeführten Zeugen nicht im jeweiligen Monat vollständig beschäftigt waren, sich also geringere als die vorstehend angegebenen Mann-Monatszahlen ergeben sollten, verbleiben solche Unklarheiten hinsichtlich der Gesamtbeschäftigtenzahl für jedes der beiden Kalenderjahre des Klagezeitraums, dass selbst bei einem für den Kläger erfolgreichen Beweisergebnis ein Schluss auf ein arbeitszeitliches Überwiegen der behaupteten baulichen Durchbrucharbeiten nicht gezogen werden könnte.
Die Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten hat den klägerischen Vortrag nicht bestätigt.
Insoweit hat der Kläger freilich ein geeignetes Beweismittel benannt. Die Bedenken, die die Berufungskammer im Hinblick auf die Vernehmung von Arbeitnehmern als Zeugen deshalb hat, weil Bohr- und Sägearbeiten zum Zwecke des Abbruchs bzw. des Durchbruchs sich allein durch den Zweck der Arbeiten unterscheiden (vgl. Kammerurteile v. 10.11.1997 - 16 Sa 476/97 und v. 09.03.1998 - 16 Sa 1595/97), greifen insoweit nicht. Denn beim Arbeitgeber bzw. beim Geschäftsführer einer GmbH kann und muss davon ausgegangen werden, dass er den Zweck der Arbeiten kennt, weil er als Arbeitgeber und Unternehmer diesen Zweck setzt.
Der Geschäftsführer der Beklagten hat in seiner Vernehmung den Vortrag des Klägers nicht bestätigt. Denn er hat ausgesagt, die vom Kläger behaupteten Durchbrucharbeiten hätten bis August 2000 ca. 10%, danach - nach Aufnahme der Reinigungs- und Aufrauarbeiten mit Höchstdruckwasserstrahl (nach den Angaben des Geschäftsführers ca. 40% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit) - ca. 6% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht. Zwar ergibt sich aus der Vernehmung des Geschäftsführers auch, dass entgegen dem Beklagtenvorbringen Abbrucharbeiten nur bis August 2000 arbeitszeitlich überwiegend, nämlich, zu 70% ausgeführt worden sind. Demgegenüber entfielen nach diesem Zeitpunkt nur 70% von 60% der Gesamtarbeitszeit (40% der Gesamtarbeitszeit waren mit Hochdruckwasserstrahlarbeiten ausgefüllt), also 42% der Gesamtarbeitszeit auf Abbrucharbeiten. Das hilft dem Kläger, auch wenn man davon ausgeht, dass er sich zumindest hilfsweise das Ergebnis der Beweisaufnahme insoweit zu Eigen gemacht hat, jedoch nicht. Zwar unterfällt nur ein Betrieb, der arbeitszeitlich überwiegend Abbrucharbeiten ausführt, der angeführten AVE-Einschränkung. 42% Abbrucharbeiten und 6% Durchbrucharbeiten ergeben jedoch nicht mehr als die Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit. Die übrigen vom Geschäftsführer geschilderten Tätigkeiten (Handel mit Diamantbohrern und Werkzeug) sowie Hochdruckwasserstrahlarbeiten sind nämlich keine baulichen Tätigkeiten.
Handelstätigkeiten sind weder im Beispielskatalog des § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannt noch unterfallen sie mangels erforderlicher baulicher Prägung den allgemeinen Bestimmungen der Abschnitt I - III. Für das Reinigen und Aufrauen von Flächen mit Hochdruckwasserstrahl gilt im Ergebnis Gleiches. Insoweit handelt es sich nämlich um nichts anderes als um Reinigungsarbeiten, weil durch diese Arbeiten die bearbeiteten Flächen von Schmutz, Zusätzen u.Ä. befreit werden und damit ihre ursprüngliche Griffigkeit und Konsistenz wiedererhalten. Reinigungsarbeiten sind aber in § 1 Abs. 2 Abschnitt V nicht aufgeführt und können auch nicht unter die Abschnitte I - III des § 1 Abs. 2 subsumiert werden. Denn ihnen fehlt der bauliche Bezug. Vielmehr gehören diese Arbeiten zum Bereich der Gebäudereinigung, einem Gewerbezweig, der nach Herkommen und Üblichkeit vom Baugewerbe geschieden ist. Auch berufsrechtlich wird das Reinigen von Verkehrs- und Freiflächen dem Berufsbild des Gebäudereinigerhandwerks zugerechnet und den Kenntnissen und Fertigkeiten dieses Handwerkszweiges, u.a. das Reinigen mit Hochdruckgeräten zugeordnet (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 1 Abs. 2 Nr. 27 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Gebäudereinigerhandwerk vom 12.02.1988, BGBl. I, S. 151). Das schließt es aus, derartige Arbeiten als baulich im Sinne von § 1 Abs. 2 VTV anzusehen (vgl. Kammerurteil vom 13.05.1991 - 16 Sa 1619/90).
Das für den Kläger negative Ergebnis der Beweisaufnahme wird auch nicht durch den Prüfbericht des Arbeitsamtes, das behauptete Telefonat und den Internetauftritt der Beklagten kompensiert.
Der Prüfbericht des Arbeitsamtes ist ohne Erkenntniswert, weil sich aus ihm bereits nicht ergibt, welche Zwecke mit den dort genannten Stahlbetonsägearbeiten, Betonschneidearbeiten und Kernbohrungen verfolgt worden sein sollen. Insoweit kann es sich sowohl um Durchbruch- wie auch um Abbrucharbeiten gehandelt haben. Dass von Hochdruckwasserstrahlarbeiten im Prüfbericht keine Rede ist, besagt ebenso wenig. Denn es ist nicht erkennbar, dass von den Mitarbeitern des Arbeitsamts sämtliche Ausgangsrechnungen eingesehen worden sind.
Der Internetauftritt der Beklagten ist nichtssagend. Aus ihm erschließt sich nicht, welche Tätigkeiten vom Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend, und das ist tariflich entscheidend, durchgeführt werden.
Der Inhalt des behaupteten Telefongesprächs ist ebenso wenig geeignet, die Berufungskammer angesichts des für den Kläger negativen Ergebnisses der Beweisaufnahme von der Richtigkeit des klägerischen Vortrags zu überzeugen. Zwar kommt derartigen vorprozessualen Angaben einer Partei Indizwert zu. Im vorliegenden Fall ist dieser Indizwert freilich bereits durch den Vortrag der Beklagten im Prozess neutralisiert worden. Aufgrund der Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten hat er gar keinen brauchbaren Wert mehr. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, wieso die behaupteten Angaben des Geschäftsführers in dem besagten Telefongespräch richtiger sein sollten als die Angaben des Geschäftsführers bei seiner Vernehmung vor der Berufungskammer. Insoweit übersieht die Berufungskammer keineswegs, dass der Geschäftsführer der Beklagten ein erhebliches Eigeninteresse an ein für die Beklagte günstigen Ausgang des Rechtsstreit hat. Es sind jedoch keine Tatsachen vorgetragen worden oder sonst wie ersichtlich, aus denen sich herleiten ließe, dass dieses Interesse den Geschäftsführer der Beklagten veranlasst haben könnte, vor der Berufungskammer Falsches auszusagen. Die Berufungskammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass Divergenzen zwischen dem Sachvortrag der Beklagten im Rechtsstreit und der Aussage ihres Geschäftsführers hinsichtlich des arbeitszeitlichen Umfangs von Abbrucharbeiten bestehen. Hieraus den Schluss zu ziehen, der klägerische Vortrag sei der zutreffende, verbietet sich jedoch. Der Sachvortrag der Beklagten im Rechtsstreit und die Aussage des Geschäftsführers stimmen nämlich hinsichtlich des arbeitszeitlichen Umfangs von Durchbrucharbeiten überein. Sowohl nach dem Sachvortrag der Beklagten wie auch nach der Aussage des Geschäftsführers machten die vom Kläger als arbeitszeitlich überwiegend durchgeführt behaupteten Durchbrucharbeiten lediglich ca. 10% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit aus. Bei dieser Sachlage fehlt ein brauchbarer Ansatzpunkt für die Annahme, Durchbruch- und Abbrucharbeiten hätten in ihrer Summierung - Abbrucharbeiten allein dagegen nicht - mehr als die Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht. Aus diesem Grunde vermochte die Berufungskammer auch nicht den erforderlichen Grad an Gewissheit dahingehend zu erlangen, dass, entgegen der Aussage des Geschäftsführers der Beklagten, gerade der Sachvortrag des Klägers zutrifft.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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